Pflanzenportrait

Die Wegwarte

Auch bekannt ist sie als „Blauwarte“, „Hansel am Weg“ und „Faule Magd“. Hildegard von Bingen nannte sie „Sunnenwirbel“, und Karl der Große verfügte in der „Capitulare de villis“ (seiner Landgüterverordnung), dass „Solsequiam“ auf allen kaiserlichen Gütern anzubauen sei.

Carl von Linné hatte sie in seiner berühmten Blumenuhr:  Cichorium intybus öffnet pünktlich um 6.00 Uhr morgens ihre Blüten. Aber die „Faule Magd“ schließt bereits nach 6 Stunden an sonnigen Tagen ihre Blüten, was man ihr nicht wirklich übel nehmen sollte, schließlich handelt es sich bei ihr in vielen Legenden um eine verzauberte Jungfrau, die wie „ein Hansel am Weg“ steht und auf die Rückkehr des Geliebten wartet – natürlich vergebens. Wer würde da nicht den Kopf zumachen?

Wir finden sie an Extremstandorten, die nicht einfach zu besiedeln sind: Schuttböden,  Trockenstandorte, Mittelstreifen der Autobahnen. Da muss man schon sehr standfest sein, um sich dort behaupten zu können. Mit einer mächtigen Pfahlwurzel erobert sie das Erdreich und verankert sich dort für mehrere Jahre. Im ersten Jahr zeigt sich nur eine Blattrosette, die an Löwenzahn erinnert. Aber im 2. Jahr schiebt sich ein Stängel empor, der an Gunststandorten auch bis zu 2 m hoch werden kann. Im oberen Teil verzweigt er sich zu sparrigen Enden, an denen die bei Fluginsekten beliebten blauen Blüten sitzen.

Fotos: Ulrich Winden

Die  Wegwarte kann aus der Umgebung Giftstoffe aufnehmen und neutralisieren, so dass sie in der Naturheilkunde wie der Löwenzahn als Ausleitungspflanze für  Schwermetalle genutzt wird. Der bittere Milchsaft unterstützt die Sekretion von Leber und Galle und fördert den Appetit. Als handelsüblicher Ersatzkaffe (= „Muckefuck“ kommt von frz. „Mocca faux“ =  „falscher Kaffee“) können wir die Wegwarte unkompliziert genießen. Der Hofgärtner Joh. Timme entwickelte 1756 dieses Getränk. - Als Salat zubereiten lassen sich ihre Zuchtformen Radicchio, Zuckerhut, Endivie (als Frisee, Eskariol oder Schnitt- Endivie). Aus gerodeten Gemüsezichorienwurzeln, die man im Dunkeln wieder treiben lässt, erhält man den bleichen, leicht bitteren Chicoreè.

Wenn ihr das nächste Mal eine Wegwarte seht, schaut ihr vielleicht in die blauen Augen einer verzauberten Jungfrau?!  

Genießt den September!  

 Eure FB Mechthilde